Globale, europäische und nationale Aufträge an das ÖREK 2030
Wandel ist nötig!
Die Raumentwicklung und Raumordnung ist eingebettet in ein dichtes Gewebe an internationalen Verträgen und Vereinbarungen, europäischen Rahmenbedingungen und Strategien sowie nationalen sektoralen Zielsetzungen und Aufträgen.
Die Raumentwicklung und Raumordnung hat dabei einerseits die Aufgabe, die übergeordneten Ziele und Maßnahmen durch Aktivitäten im eigenen Wirkungsbereich zu unterstützen und muss andererseits auf die räumlichen Wirkungen übergeordneter Politiken reagieren. Im Folgenden werden die wichtigsten Dokumente dargestellt, in denen grundlegende Orientierungen für den nötigen Wandel enthalten sind. Österreich hat sich dazu als Vertragspartner (UNO), als Mitgliedsland (Europäische Union) und im eigenen Wirkungsbereich verpflichtet.
Transformation unserer Welt: die Agenda für eine nachhaltige Entwicklung
4.1
2015 haben die Vereinten Nationen die Resolution „Transformation unserer Welt: die Agenda 2030 für eine nachhaltige Entwicklung“ verabschiedet. Darin wurden 17 Ziele – die sogenannten Sustainable Development Goals (SDGs) – mit 169 Unterzielen verankert (siehe Begleitdokument).
Die Nachhaltigkeitsziele wurden definiert, um eine nachhaltige, wirtschaftliche, soziale und ökologische Entwicklung zu gewährleisten. Dabei sind die drei Dimensionen gleichberechtigt zu sehen. Es wird ein ganzheitlicher Entwicklungsansatz verfolgt, mit dem neben der Wahrung von Menschenrechten, Rechtsstaatlichkeit, Frieden und Sicherheit auch Good Governance angestrebt wird.
Für die Raumentwicklung und Raumordnung unmittelbar relevant ist das Ziel 11 „Städte und Siedlungen inklusiv, sicher, widerstandsfähig und nachhaltig gestalten“. Aber auch zahlreiche andere Ziele beinhalten raumrelevante Komponenten.
Zur Agenda 2030 hat Österreich zuletzt 2020 einen ersten nationalen Umsetzungsbericht vorgelegt (BKA 2016). Darin wird angesichts der Herausforderungen die Notwendigkeit einer institutionenübergreifenden Zusammenarbeit und die Beachtung der hinter den SDGs bestehenden Prinzipien betont.
Im ÖREK sind die SDGs eine Orientierung bei der Formulierung der Grundsätze, der räumlichen Ziele sowie des Handlungsprogramms.
Europäische Ziele und Vorgaben
4.2
Die Europäische Union (EU) besitzt keine unmittelbaren Kompetenzen im Bereich der Raumordnung, sie beeinflusst aber die Raumentwicklung durch zahlreiche Rechtsnormen (sektorale Richtlinien), das Fördersystem (Struktur- und Agrarfonds, Forschungsförderung, Aufbauinstrument „Next Generation EU“), gemeinschaftliche Pläne (Transeuropäische Netze) oder gemeinschaftliche Strategien (z.B. Green Deal, Territoriale Agenda, Leipzig Charta für die nachhaltige europäische Stadt, Urbane Agenda, Farm2Fork-Strategie, EU-Biodiversitätsstrategie 2030, makroregionale Strategien). Eine wesentliche mit den Mitgliedsstaaten geteilte europäische Kompetenz ist auch die Klima- und Energiepolitik. Für das ÖREK 2030 sind folgende „europäischen Aufträge“ besonders relevant:
Generelle und spezifische Ziele für die Förderperiode der Kohäsions- und Agrarfonds 2021–2027
Die europäische Strategie „Europa 2020 – Eine Strategie für intelligentes, nachhaltiges und integratives Wachstum“, die 2010 beschlossen wurde (Europäische Kommission 2010), war eine grundlegende Richtschnur für das ÖREK 2011. Diese Strategie wird nun abgelöst durch ein neues Zielsystem, das wiederum den Rahmen für die Gestaltung der wichtigsten Förderinstrumente der Europäischen Union für die Programmperiode 2021–2027 bildet (siehe Begleitdokument). Die meisten der Ziele erzeugen eine direkte oder indirekte Wirkung auf die Regional- und Raumentwicklung, aus einigen Zielen lassen sich auch direkte Aufträge an die Raumentwicklung und Raumordnung ableiten. Das betrifft besonders das Ziel „ein bürgernäheres Europa durch die Förderung einer nachhaltigen und integrierten Entwicklung von städtischen, ländlichen und Küstengebieten und lokaler Initiativen“ mit den spezifischen Zielen der Stärkung einer integrierten, sozialen, ökonomischen und ökologischen Entwicklung auf lokaler Ebene –sowie der Förderung von Kulturerbe, Tourismus und Sicherheit in Städten und in anderen Regionen.
„Soft Policies“ zur Steuerung der europäischen Raumentwicklung
Abgesehen von sektoralen Politiken der Europäischen Kommission und der Fördersysteme mit regionaler Wirksamkeit (hauptsächlich Struktur- und Agrarfonds) erfolgt die Steuerung europäischer Raumentwicklung vor allem durch „weiche“ Politiken (Soft Policies).
Die europäischen Strategien zur Raumentwicklung basieren ähnlich wie die österreichische Raumentwicklung auf Grund des fehlenden kompetenzrechtlichen Rahmens auf informellen strategischen Vereinbarungen und Kooperation in Mehrebenen-Governance-Prozessen.
Dazu zählen:
- die Territoriale Agenda als strategische Orientierung für die Raumentwicklung in Europa;
- die Urbane Agenda mit einer starken umsetzungsorientierten Komponente mit der analog zu den ÖREK-Partnerschaften temporäre thematische Partnerschaften interessierter Länder, Regionen und Städte initiiert werden;
- die Leipzig Charta zur nachhaltigen europäischen Stadt als strategische Orientierung für die Stadtentwicklung;
- die makroregionalen Strategien, die eine strategische Komponente mit operativen Elementen verbinden, die im Gegensatz zur Urbanen Agenda zeitlich nicht limitiert sind.
Die Territoriale Agenda wurde von den für Raumentwicklung und Städtebau zuständigen Minister:innen in Kooperation mit der Europäischen Kommission und befürwortet vom Ausschuss der Regionen erstmals 2007 entwickelt, 2011 überarbeitet und 2020 neu aufgesetzt. Im Dezember 2020 wurde die „Territoriale Agenda 2030 – eine Zukunft für alle Räume“ verabschiedet. Zwei zentrale Zieldimensionen leiten die Festlegung von Handlungsschwerpunkten:
- ein gerechtes Europa mit Zukunftsperspektiven für alle Räume und Menschen;
- ein grünes Europa, das die gemeinsamen Lebensräume schützt und gesellschaftliche Veränderungsprozesse gestaltet.
In der Territorialen Agenda 2030 wurde erstmals auch ein operatives Element aufgenommen. In sogenannten Pilotprojekten bzw. Modellbeispielen sollen umsetzungsorientierte Aktivitäten unter dem Schirm der Territorialen Agenda stattfinden können.
Die Leipzig Charta zur nachhaltigen Stadt wurde 2007 ebenfalls von den Minister:innen für Raumentwicklung und Städtebau verabschiedet. Im Dezember 2020 wurde die „Neue Leipzig Charta – die transformative Kraft der Städte für das Gemeinwohl“ angenommen. Als Ziele werden „die gerechte Stadt“, „die produktive Stadt“, „die grüne Stadt“ und „gute Governance“ formuliert. In dieses strategische Dokument wurden nun die operativen Elemente der Urbanen Agenda aufgenommen und deren Fortsetzung verankert.
2016 haben sich die für städtische Angelegenheiten zuständigen Minister:innen im Pakt von Amsterdam auf die Urbane Agenda für die EU verständigt. Erstmals wurden damit städtische Themen auf der europäischen Ebene als gemeinsames Anliegen verankert. Im Gegensatz zur Territorialen Agenda ist die Urbane Agenda operativ angelegt. Entlang der drei Grundprinzipien – bessere Rechtsetzung, bessere Finanzierung und besseres Wissen – wurden zwischen 2016 und 2020 zwölf thematische Partnerschaften eingerichtet. Basierend auf dem Strategiedokument der Leipzig Charta sollen nun weitere thematische Partnerschaften ermöglicht werden.
Die makroregionalen Strategien werden vom Rat, der Kommission und dem Europäischen Parlament beschlossen und sollen sich mit Problemen, Themen und Fragen befassen, für die die europäische Ebene zu groß, die nationale Ebene aber zu klein ist. Die makroregionalen Strategien ermöglichen auch eine Zusammenarbeit mit Ländern und Regionen, die noch nicht Mitglieder der EU sind. Österreich (Bund, Bundesländer) engagiert sich in den makroregionalen Strategien für den Donauraum und für den Alpenraum (siehe Begleitdokument).
Alpenkonvention
4.3
Österreich ist auch der Alpenkonvention und ihren Protokollen (u.a. Raumordnungsprotokoll, Bodenschutzprotokoll) vertraglich verpflichtet. Im Regierungsprogramm 2020 wurde die Initiierung eines gebietskörperschaften- und sektorenübergreifenden Raumentwicklungskonzepts für die alpine Raumordnung ergänzend zum bestehenden Raumordnungsprotokoll angeregt. Außerdem wird ein Konzept für den Schutz und die nachhaltige Nutzung alpiner Freiräume gemäß Alpenkonvention vorgesehen.
Nationale Strategien
4.4
Das ÖREK 2030 befindet sich auch auf nationaler Ebene eingebettet in ein Set an sektoralen Strategien, die Wirkungen auf die Raumentwicklung erzeugen und die durch das ÖREK 2030 unterstützt werden können. Diese Strategien werden berücksichtigt und dort wo das notwendig ist, direkt angesprochen.
Titel | Ersteller | Erstellungsjahr | Ziel-Jahr |
---|---|---|---|
Open Innovation Strategie 2025 | BMDW, BMVIT | 2016 | 2025 |
Kreativwirtschaftsstrategie 2025 | BMDW | 2016 | 2025 |
5G-Strategie 2025 | BMVIT, BMF, BMDW | 2018 | 2025 |
Breitbandstrategie 2030 | BMNT | 2019 | 2030 |
Plan T-Masterplan für Tourismus | BMNT | 2019 | - |
Nationaler Klima- und Energieplan | BMNT | 2019 | 2030 |
mission 2030 – die österreichische Klima- und Energiestrategie | BMNT, BMVIT | 2018 | 2030 |
Österreichische Strategie zur Klimawandelanpassung | BMNT, UBA | 2017 | 2025 |
Biodiversitätsstrategie 2030+ | BMK | 2021 | 2030+ |
Waldstrategie 2020+ | BMLRT | 2018 | 2020+ |
Bioökonomiestrategie 2030 | BMNT, BMBWF, BMVIT | 2019 | 2030 |
Kreislaufwirtschaftsstrategie | BMK | 2021 | |
Leitstrategie Eisenbahninfrastruktur 2025+ | BMK | 2017 | 2025+ |
Masterplan für den ländlichen Raum | BMNT | 2017 | - |
Baukulturelle Leitlinien des Bundes | BKA | 2017 | - |
Baukulturreport 2018 | BKA | 2018 | 2050 |
Baukulturreport 2021 | BMKÖS | 2021 | - |
Nationaler Aktionsplan Bewegung | BMKÖS/BKA | 2012 | - |
Gesamtverkehrsplan Österreich 2012 | BMVIT | 2012 | - |
Mobilitätsmasterplan 2030 | BMK | 2021 | 2030 |
FTI-Strategie 2030 | BKA, BMF, BMBWF, BMWD, BMK | 2020 | 2030 |
FTI-Strategie Mobilität | BMK | 2020 | 2040 |
Nationaler Aktionsplan Behinderung | BMSGPK | 2021 | 2030 |
Neben den Bundesstrategien stellen auch die sektoralen Strategien der Bundesländer einen wichtigen Referenzrahmen für das ÖREK 2030 dar.
Darüber hinaus sind die Ergebnisse der ÖREK-Partnerschaften seit 2011 sowie die in diesem Zusammenhang entwickelten ÖROK-Empfehlungen eine zentrale Grundlage für das ÖREK 2030.
Klima- und Energieziele
4.5
Auf globaler, europäischer und nationaler Ebene ist es in den vergangenen Jahren zu einer starken rechtlichen Verankerung von Klima- und Energiezielen gekommen. Für das ÖREK 2030 leitet sich daraus die Verpflichtung ab, Klimaschutz und Klimawandelanpassung als Priorität für die Raumentwicklung und Raumordnung der nächsten Jahre zu sehen.
Die Bewältigung der Klimakrise stellt eine Transformationsaufgabe dar, die alle politischen und administrativen Ebenen, alle Sektoren und alle Räume betrifft. Die Klimakrise ist in den letzten zehn Jahren vor allem durch Hitzewellen und Extremwetterereignisse im Bewusstsein einer breiten Öffentlichkeit angekommen. Die im Folgenden dargestellten Dokumente geben Orientierung für den nötigen Wandel zur Vermeidung der Klimakrise.
Globales Klimaschutzabkommen der UNO
Im Jahr 2016 trat das zuvor in Paris verhandelte Klimaschutzübereinkommen (COP 21 Paris) in Kraft, nachdem die Ratifizierung durch die erforderliche Anzahl der Staaten erfolgte. Auch die EU und Österreich haben das Übereinkommen unterzeichnet und sich damit zur Ausrichtung ihrer Politiken auf die darin enthaltenen Ziele verpflichtet. Wesentlicher Inhalt ist die Begrenzung der Erderwärmung auf unter 2° C – idealerweise auf unter 1,5° C – bis zum Jahr 2100 und eine Treibhausgasneutralität in der zweiten Jahrhunderthälfte.
EU-Klimaziele und Green Deal der EU-Kommission
Der Europäische Rat hat 2014 den klima- und energiepolitischen Rahmen bis 2030 beschlossen. 2018 wurden die Zielvorgaben für 2030 für erneuerbare Energiequellen und Energieeffizienz nach oben korrigiert. Ende 2020 wurden die Zielvorgaben für die Reduktion der Treibhausgasemissionen nochmals verschärft. Folgende Ziele wurden für die Europäische Union insgesamt für das Jahr 2030 festgelegt:
- Senkung der Treibhausgasemissionen um mindestens 55 % gegenüber 1990;
- Erhöhung der Energieeffizienz um mindestens 32,5 %;
- Erhöhung des Anteils erneuerbarer Energieträger auf mindestens 32 %.
Außerdem bekennt sich die Europäische Union zur Klimaneutralität bis zum Jahr 2050.
Für Österreich war gemäß dem alten klima- und energiepolitischen Rahmen eine Reduktion der Treibhausgase in Sektoren außerhalb des Emissionshandels um 36 % gegenüber dem Referenzzeitpunkt 2005 vorgesehen. Eine Nachschärfung wird noch erfolgen.
Im Green Deal der Europäischen Kommission 2020 sind folgende ergänzende Zielvorgaben für die Reduktion der Treibhausgase vorgesehen:
- Dekarbonisierung des Energiesektors;
- Reduktion der Treibhausgase im Verkehr um 90 % bis 2050.Klima- und Energieziele auf Bundesebene
Die Klima- und Energiestrategie der Bundesregierung 2018 enthält folgende Ziele:
- Reduktion der Treibhausgase in den Sektoren außerhalb des Emissionshandels bis 2030 um 36 % gegenüber 2005;
- Abdeckung des nationalen Gesamtstromverbrauchs bis 2030 zu 100 % (bilanziell) aus erneuerbaren Energieträgern;
- Reduktion der Treibhausgasemissionen aus dem Verkehr um 36 % gegenüber 2005;
- Ausstieg aus der fossilen Energiewirtschaft bis 2050.
Diese Ziele wurden von der Bundesregierung 2020 nochmals ambitionierter formuliert:
- Vorziehen des Ziels der Klimaneutralität für Österreich bis spätestens 2040;
- Dekarbonisierung des Verkehrs durch eine nachhaltige Mobilitätsentwicklung als Schwerpunkt;
- der Green Deal der Europäischen Kommission wird ausdrücklich unterstützt.
Das Ziel der Klimaneutralität in Österreich bis spätestens 2040 erfordert noch ambitioniertere Treibhausgas-Reduktionspfade. Die Dringlichkeit der Umsetzung von konkreten Maßnahmen wird damit deutlich erhöht. Als wichtige Umsetzungsinstrumente werden unter anderem eine klimaschutzorientierte Energieraumplanung oder die Weiterentwicklung der Wohnbauförderung unter besonderer Berücksichtigung raumordnungsrelevanter Aspekte angeführt (BKA 2020 – Regierungsprogramm der Bundesregierung 2020–2024).
Alpines Klimazielsystem
2019 wurde das Alpine Klimazielsystem 2050 von den Minister:innen der Alpenstaaten unterzeichnet. Darin wurden Ziele zur Erreichung klimaneutraler und klimaresilienter Alpen festgelegt. Dazu zählen eine Priorität für Klimaschutz und Klimawandelanpassung in Raumplanungsprozessen, ein Wandel von passiven zu proaktiven Planungssystemen im Risikomanagement sowie quantitative Ziele zum Bodenschutz (Flächenversiegelung) und qualitative Ziele zur Verbesserung der Bodenqualität.