Raumentwicklung auf Klimaneutralität und Energiewende fokussieren
PUNKT 1
Die Bewältigung der Klimakrise erfordert weichenstellende Entscheidungen und Maßnahmen in den nächsten zehn Jahren. Ohne weitreichende Maßnahmen zur Begrenzung der Treibhausgasemissionen könnte es zu einem durchschnittlichen globalen Temperaturanstieg um bis zu 4,50 C kommen (IPPC 2013). Österreich als entwickelte Industrienation trägt pro Kopf unverhältnismäßig stark zur Klimakrise bei, ist aber auch als Binnen- und Alpenland durch einen überdurchschnittlichen Temperaturanstieg und erhöhte Naturgefahren besonders betroffen.
Österreich hat sich im Klimaschutzabkommen von Paris und im Rahmen der EU-Klimaziele der Europäischen Union zur Reduktion der Treibhausgasemissionen verpflichtet und sich national ambitionierte Ziele gesetzt. Bis 2040 soll Österreich Klimaneutralität erreicht haben, bis 2030 sollen die Treibhausgase um 36 % gegenüber 2005 (ohne Emissionshandel) gesenkt, der nationale Gesamtstromverbrauch zu 100 % bilanziell aus erneuerbaren Energieträgern abgedeckt werden. Bis 2050 soll der vollständige Ausstieg aus der fossilen Energiewirtschaft erfolgt sein. Das Ziel der Klimaneutralität in Österreich bis spätestens 2040 erfordert noch ambitioniertere Treibhausgas-Reduktionspfade. Die Dringlichkeit der Umsetzung von konkreten Maßnahmen wird damit deutlich erhöht.
Der notwendige Umbau zu einem klimaneutralen Lebens- und Wirtschaftsstandort im Sinne des europäischen Green Deals soll durch die Instrumente der Raumentwicklung und Raumordnung unterstützt werden. Dabei ist zu berücksichtigen, dass die gesamtwirtschaftlichen Kosten der Schäden durch den Klimawandel regional sehr unterschiedlich verteilt sind. Gleichzeitig werden Regionen durch europäische und nationale Steuerungsmaßnahmen (z.B. Herstellung von Kostenwahrheit bei den CO2-Emissionen) in sehr unterschiedlichem Ausmaß betroffen sein. Die Raumentwicklung muss daher einerseits die Transformation zur Klimaneutralität unterstützen, andererseits auf eine raumverträgliche Gestaltung achten.
Die Klimaziele können nur mit einer Energiewende weg von fossilen Energieträgern hin zu erneuerbaren Energiequellen erreicht werden. Die Nutzung fossiler Energien hat den Flächenbedarf für die Energieerzeugung stark reduziert. Mit der Wende hin zu erneuerbaren Energieträgern wie Biomasse, Solarenergie und Windenergie bekommt die Fläche für Energieproduktion, Energiespeicherung und Energietransporte eine stärkere Bedeutung. Die Raumentwicklung und Raumordnung steht vor einer völlig neuen Herausforderung mit vielfältigen Aufgaben: Ermittlung und Auswahl der Flächen und Standorte mit der besten Eignung, Sicherung von Flächen für Produktions- und Speicherstandorte, Vermittlung bei Nutzungskonflikten und Ausgleich zwischen den unterschiedlichen Flächenansprüchen.
Eine Raumentwicklung für Klimaneutralität und zur Energiewende wird daher ein bestimmendes Thema für das ÖREK 2030 in den nächsten zehn Jahren sein. Das bedeutet, eine Verankerung des Klimaschutzes in der Raumentwicklung und Raumordnung vorzunehmen, die Gestaltung der Energiewende durch eine räumliche Steuerung des Ausbaus erneuerbarer Energien und Netze zu unterstützen und Österreich zu einem klimaneutralen Wirtschaftsstandort zu entwickeln.
Folgende Kernmaßnahmen und Arbeitsformate werden zur Umsetzung vorgeschlagen:
- Ausarbeitung einer Studie oder Prüfung einer Partnerschaft zum Thema „Gerechte Raumentwicklung im Klimawandel und bei Vermeidungs- und Anpassungsstrategien“: regionalwirtschaftliche Auswirkungen von klimapolitischen Interventionen, Vorschläge für die Gestaltung der klimapolitischen Interventionen im Sinne der Ziele der Raumentwicklung und Raumordnung;
- Methoden und Modelle zur Konkretisierung der Potenziale und des Flächenbedarfs für erneuerbare Energie (Erzeugungs- und Übertragungsinfrastruktur) auf regionaler Ebene unter Berücksichtigung einer intelligenten Diversifizierung erneuerbarer Energieträger und -technologien entwickeln, bundesweit abstimmen und Ergebnisse zur Verfügung stellen (Indikatoren im ÖROK-Atlas zum Thema Energie und Umwelt für spezifische Energieformen aufbereiten und Wärmeatlas zur Verfügung stellen);
- Planungsrichtlinien zur vorrangigen Nutzung der Potenziale für erneuerbare Energie auf Gebäuden und technischen Anlagen sowie bereits genutzte Flächen erarbeiten und Strategien zur vorrangigen Mobilisierung dieser Potenziale entwickeln;
- Ergebnisse der ÖREK-Partnerschaften zur Energieraumplanung um konkrete Kriterien für die formellen Instrumente der überörtlichen und örtlichen Raumordnung ergänzen und adaptieren.
Folgende unterstützende Maßnahmen und Arbeitsformate können zur Umsetzung beitragen:
- Prüfung der Zweckmäßigkeit eines Kodex für nachhaltige Wirtschaftsstandortentwicklung mit einem Leitfaden und Zertifizierungsverfahren ausgehend von guten Beispielen (z.B. Klimaaudit und Klimarisikoanalyse gemeinsam mit Standortagenturen und Betriebsentwicklungsgesellschaften);
- Studie zur Kostenwahrheit, externen Kosten und Klimawirkungen von Betriebsstandorten;
- Raumentwicklungsaspekte in bestehenden Fördermodellregionen (KLAR!, KEM) bzw. LEADER-Strategien in Abstimmung mit den Ländern berücksichtigen;
- Zielkataloge der Raumordnungsgesetze in Bezug auf Klimaschutzschutzziele, Klimawandelanpassungsziele sowie Biodiversitätsziele prüfen und Handlungsbedarfe zur Priorisierung gegenüber anderen bzw. bestehenden Zielen identifizieren.
„Das ÖREK liegt als Leitbild vor, eingebettet in vielfältige Herausforderungen. Entscheidend für die Umsetzung ist, dass alle Leser:innen im eigenen Umfeld wirklich alle Hebel mit ganzem Einsatz umstellen.”
Karl Steininger, Klimaökonom, Universität Graz
- Punkt 1Raumentwicklung auf Klimaneutralität und Energiewende fokussieren
- Punkt 2Flächeninanspruchnahme und Bodenversiegelung reduzieren
- Punkt 3Orts- und Stadtkerne stärken sowie Raum für Baukultur eröffnen
- Punkt 4Freiräume ressourcenschonend und für den Klimaschutz gestalten
- Punkt 5Erreichbarkeit sichern und klimaneutral gestalten
- Punkt 6Die Klimawandelanpassung durch Raumentwicklung und Raumordnung unterstützen
- Punkt 7Daseinsvorsorge für gleichwertige Lebensbedingungen gestalten und leistbares Wohnen sichern
- Punkt 8Regionale Wertschöpfungsketten und Kreislaufwirtschaft stärken
- Punkt 9Chancen der Digitalisierung nutzen und regionale Innovationssysteme stärken
- Punkt 10Government und Governance als Querschnittsthema integrieren