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Die räumlichen Voraussetzungen für den sozialen Zusammenhalt stärken

ZIEL 1

Dieses Ziel wendet sich den räumlichen Voraussetzungen zu, die es braucht, um den sozialen Zusammenhalt in Österreich zu stärken. Einen Fokus bildet die offene Auseinandersetzung mit den räumlichen Auswirkungen des sozialen und gesellschaftlichen Wandels. Damit sind immer noch verschiedene Fragen verbunden. Warum wandern Menschen aus bestimmten Regionen ab? Warum zieht es so viele in die städtischen Agglomerationen? Wie können räumlich-segregierende Benachteiligungen verhindert werden? Das sind Themen, zu deren vertiefter und tabufreier Auseinandersetzung das ÖREK 2030 aufruft.

Dieses Ziel nimmt auf die sozialen und gesundheitlichen Auswirkungen des Klimawandels sowie deren ungleiche Verteilung in der Gesellschaft Bezug. Es leistet einen Beitrag zu den Grundsätzen der Nachhaltigkeit, Gemeinwohlorientierung und Gerechtigkeit im Sinne von „Climate Justice“.

Für den sozialen Zusammenhalt besonders wesentliche Themen sind das leistbare Wohnen sowie die Multilokalität. Die Preise für Wohnen stiegen beispielsweise zwischen 2008 und 2017 im Schnitt um 24 %. Private Hauptmieten verzeichneten mit 36 % die höchste Steigerung im Vergleich zu anderen Wohnformen und im Vergleich zur allgemeinen Teuerung, die in diesem Zeitraum bei 16 % lag (Statistik Austria 2018). Äußerst große regionale Unterschiede verzeichnen Grundstückspreise. Die höchsten Preise werden in urbanen Räumen (z.B. Wien-Döbling, Wien-Währing) und Tourismuszentren (z.B. Lech, Kitzbühel) erzielt. Generell lagen die Steigerungsraten in den westlichen Bundesländern weit über jenen in den östlichen Bundesländern, ausgenommen Wien.

Die hohen Steigerungen im Bereich der privaten Hauptmieten verdeutlichen den Handlungsdruck hinsichtlich von leistbarem Wohnraum insbesondere in Städten, Stadtregionen und Tourismusregionen. Die gesellschaftlichen Transformationsprozesse wirken im Bereich des Wohnens ohne einem Gegensteuern ebenfalls eher verschärfend als mildernd. Die Zahl der Einpersonenhaushalte wird gemäß Haushaltsprognosen mit 43 % am stärksten zunehmen, gefolgt von Zweipersonenhaushalten mit einer Zunahme von 41 % bis 2030 (ÖROK 2017a). Das trifft besonders auch für ländliche Räume zu. Gründe dafür sind die demografische Alterung und damit die Zunahme von Einpersonenhaushalten im Alter, aber auch gesellschaftliche Veränderungen. Auch Fragen der Innenentwicklung, des Bodensparens sowie der Nachnutzung von Brachflächen und der Sanierung von Altlasten sind hier zu beachten. Allerdings steht in dieser Säule die „Leistbarkeit und Klimafittness“ im Fokus (siehe dazu ergänzend die Handlungsaufträge zu Bodensparen, Innenentwicklung und Leerstandsnutzung in Säule 1 „Mit räumlichen Ressourcen sparsam umgehen“).

Aus dem Zusammenwirken von gesellschaftlichen Transformationsprozessen, globalen Entwicklungen und dem Klimawandel ergeben sich große Herausforderungen für den sozialen Zusammenhalt und die für eine gerechte Entwicklung wesentlichen räumlichen Voraussetzungen.

Leistbaren und klimafitten Wohnraum zur Verfügung stellen

Handlungsauftrag 2.1.a:

Der Druck auf den leistbaren Wohnraum hat in den letzten Jahren zugenommen. Die Covid-19-Pandemie verdeutlicht die Notwendigkeit eines ausreichenden, leistbaren und gesunden Wohnumfeldes. Mit der Klimakrise rückt auch die „Klimafittness“ von Gebäuden und Räumen in den Fokus. Wie gut sind Wohnungen, Häuser und Freiräume für längere Hitzeperioden oder andere Extremwetterereignisse gewappnet? Die Anforderungen für Wohnraum sind vielfältig. Er muss ausreichend, leistbar, klimafit und an die Anforderungen einer sich wandelnden und heterogener werdenden Bevölkerung angepasst sein.

Mögliche ÖROK-Arbeitsformate und Maßnahmen:

  • Österreichweite, vergleichbare und belastbare Daten und Grundlageninformationen aufbereiten (z.B. Verbesserung der Datengrundlagen als Ausgangspunkt für ÖROK-Wohnungsbedarfsprognosen, Indikatoren im ÖROK-Atlas).
  • Anpassungbedarfe aus gesamtösterreichischer Perspektive aufzeigen (vgl. z.B. Empfehlungen der ÖREK-Partnerschaft „Leistbares Wohnen“, ÖROK-Schriftenreihe Nr. 191 „Beiträge der Raumordnung zur Unterstützung „leistbaren Wohnens“) und auf Verwerfungen hinweisen (vgl. Grundsätze des ÖREK 2030 – „klimaverträgliche und nachhaltige / gerechte / gemeinwohlorientierte Raumentwicklung“; bzw. marktgetriebene Preisentwicklung).

Raumtypen

alle ÖREK-Raumtypen mit raumtypenspezifischer Differenzierung


Relevante Systeme von Akteur:innen

Bund, Länder, Regionen, Städte, Gemeinden, ÖROK, Bauträger, Investor:innen, Eigentümer:innen, Genossenschaften, Baugruppen, Planer:innen, Architekt:innen, Statistik, Arbeiterkammer


Instrumente

Daten- undEvaluierungsmodelle (z.B. Wohnungsbedarfsprognosen, Adress-, Gebäude- und Wohnungsregister), Strategien, Konzepte, gesetzliche Grundlagen (Mietrechtsgesetz, Grundverkehrsgesetze, Raumordnungsgesetze etc.), informelle und formelle Instrumente der überörtlichen und örtlichen Raumordnung, aktive Bodenpolitik, Finanzierungs- und Förderwesen (z.B. Wohnbauförderung, Grundsteuer etc.), Bewusstseinsbildung

Die räumlichen Risiken der Klimakrise aus der sozialen Perspektive aufzeigen und Handlungsstrategien ableiten

Handlungsauftrag 2.1.b:

Die Klimakrise ist keine ferne Bedrohung. Sie findet bereits statt und wird sich weiter verstärken. Unklar ist das genaue Ausmaß der Auswirkungen. Bereits in der Gegenwart führen Anpassungs- und Vermeidungsstrategien zu politischen Reaktionen, die auch soziale Auswirkungen haben.
Im Bereich sozialer-räumlicher Auswirkungen bestehen allerdings noch viele Forschungslücken. Es ist wesentlich, beide Dimensionen des Klimawandels und die räumlich-sozialen Auswirkungen zu betrachten. Wie wirkt die Klimaänderung auf den Raum und auf soziale Systeme? Wie wirken sich politische, regulative, markt- oder anreizbasierten Klimaschutzmaßnahmen auf die räumliche Entwicklung und auf soziale Systeme aus?

Mögliche ÖROK-Arbeitsformate und Maßnahmen:

  • Räumlich differenzierte gesamtösterreichische Untersuchungen zu Klimafolgenrisiken (Auswirkungen der Klimaänderung auf räumlich-soziale Systeme) und Transformationsrisiken (Auswirkungen von klimapolitischen Maßnahmen zur Dekarbonisierung auf Räume und soziale Gruppen) vornehmen. Handlungsmöglichkeiten herausarbeiten.
  • Räumlich relevante Fragen der Klimagerechtigkeit aufzeigen und untersuchen.
  • Maßnahmen der Bewusstseinsbildung und Öffentlichkeitsarbeit umsetzen.

Raumtypen

alle ÖREK-Raumtypen mit raumtypenspezifischer Differenzierung


Relevante Systeme von Akteur:innen

Bund, Länder, Regionen, Städte, Gemeinden, ÖROK, Arbeiterkammer, Wissenschaft, Bildungsinstitutionen


Instrumente

Strategien, Konzepte, Studien, Pilotprojekte, Förderungen und Anreizsysteme (z.B. Interreg, LEADER etc.), Modellregionen, Bewusstseinsbildung, ÖREK-Partnerschaft, ÖROK-Atlas

Die räumlichen Auswirkungen des gesellschaftlichen Wandels aufzeigen und Anpassungsstrategien entwickeln

Handlungsauftrag 2.1.c:

Die räumlichen Auswirkungen des gesellschaftlichen Wandels sind äußerst divers. Sie wirken in unterschiedliche Richtungen und bedürfen differenzierter Herangehensweisen. Darüber hinaus gibt es nach wie vor „heiße Eisen“ in der Raumentwicklung. Das sind z.B. Themen-Rückbau, aktives Zuwanderungsmanagement oder „Ghettoisierung“ und Segregation. Sie müssen offen angesprochen, umsichtig aufbereitet und dann angepackt werden, um nachhaltige Handlungsstrategien in die Umsetzung zu bringen.

Mögliche ÖROK-Arbeitsformate und Maßnahmen:

  • Gründe für den Zuzug, Wegzug, das Bleiben oder andere Themen des gesellschaftlichen Wandels aus gesamtösterreichischer Sicht vertiefend erforschen, umsichtig aufbereiten und diskutieren (inkl. Multilokalität, Saisonalität, Rückbau etc.) sowie Handlungsempfehlungen ableiten.
  • Chancen und Risiken der Digitalisierung im Zusammenhang mit diesen Themen aufzeigen, soziale Innovationen gezielt mit Förderschienen unterstützen (z.B. Interreg, LEADER etc.).

Raumtypen

alle ÖREK-Raumtypen mit raumtypenspezifischer Differenzierung, Austausch zwischen den Regionen forcieren


Relevante Systeme von Akteur:innen

Bund, Länder, Regionen, Städte, Gemeinden, ÖROK, Wissenschaft


Instrumente

Strategien, Konzepte, Studien, Pilotprojekte, Förderungen (z.B. Interreg, LEADER etc.), ÖREK-Partnerschaft

Strategien für Multilokalität erstellen und multilokal lebende Menschen einbinden

Handlungsauftrag 2.1.d:

Multilokale Lebensformen nehmen bedingt durch die Globalisierung, Digitalisierung und den gesellschaftlichen Wandel zu. Weltweite Nomad:innen arbeiten von ihrem präferierten Lebensort global und digital. Neue Sommerfrischler:innen zieht es aus der Hitze der Stadt aufs Land. Weggezogene leben temporär im Heimatort. Saisonniers ziehen ihren Arbeitsstandorten nach.
Multilokalität hat viele Facetten, die Datenlage und das Wissen dazu sind gering und konkrete räumliche Auswirkungen schwer abschätzbar. Gibt es negative Auswirkungen aufgrund erhöhter Wohnpreise in ländlichen Regionen? Stärkt die Zuwanderung von global Tätigen und Kreativen die Abwanderungsregionen? Welche Rolle spielt die Digitalisierung? Welchen Einfluss hat die Klimaänderung? Chancen, Risiken und Wirkungen von Multilokalität müssen vertiefend erforscht, räumliche Strategien abgeleitet und Angebote zur Einbindung multilokal lebender Menschen entwickelt werden.

Mögliche ÖROK-Arbeitsformate und Maßnahmen:

  • Studien und Konzepte aus umfassender Sicht zu Multilokalität durchführen, Evidenzen aufbereiten und publizieren (z.B. ÖROK-Schriftenreihe, ÖROK-Atlas).

Raumtypen

alle ÖREK-Raumtypen mit raumtypenspezifischer Differenzierung sowie Vernetzung in das Ausland (z.B. grenzüberschreitend, EU-weit etc.)


Relevante Systeme von Akteur:innen

Bund, Länder, Regionen, Städte, Gemeinden, ÖROK, Wissenschaft, Statistik, Vereine und Freiwilligenorganisationen, Sozialeinrichtungen


Instrumente

Studien, Konzepte,Daten- undEvaluierungsmodelle, Entwicklungsplanung, ÖREK-Partnerschaft, ÖROK-Atlas, Pilotprojekte